Reaktion auf Diebstahl von Stolpersteinen
Darmstädter ECHO 14.11.2013
„Deutliches Zeichen des Antisemitismus“
Erinnerung – Gestohlene Stolpersteine alarmieren Christlich-Jüdische Gesellschaft – Bündnis gegen Rechts im Landkreis
In Gräfenhausen, einem Stadtteil von Weiterstadt, sind vor gut einer Woche sieben Stolpersteine entwendet worden, die an die ermordete Familie Collin-Cahn erinnern sollten. Archivfoto: AndÅ•e Hirtz
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hat zwei Vorkommnisse mit Stolpersteinen im Landkreis Darmstadt-Dieburg als antisemitisch bezeichnet. Im Landkreis hat sich ein Bündnis gegen Rechtsextremismus gegründet.
SÜDHESSEN.
Die christlich-jüdische Gesellschaft mit Sitz in Darmstadt bezieht sich auf zwei Vorfälle in der vergangenen Woche. In der Nacht zum 7. November waren im Weiterstädter Stadtteil Gräfenhausen Stolpersteine gestohlen worden, die erst am Vortag verlegt worden waren. In der Nacht zum 8. November hatten Unbekannte zwei Scheiben des Seeheim-Jugenheimer Rathauses eingeworfen – mit Stolpersteinen, die ein Jahr zuvor in Griesheim gestohlen worden waren.
Angesichts der Tatsache, dass beides sich kurz vor dem Gedenktag an die Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 ereignet habe, müsse man davon ausgehen, dass die Täter „ein deutliches Zeichen des Antisemitismus“ setzen wollten, heißt es in einer Mitteilung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. „Wegen dieser Motivlage dürfen die Sachbeschädigungen und der Diebstahl der Steine nicht als geringfügig eingestuft werden.“ Stolpersteine erinnern an die Juden, die in der Pogromnacht aus ihren Häusern verschleppt, gefoltert und deportiert worden sind. „Unsere bundesrepublikanische Gesellschaft erleidet schwersten Schaden, wenn Erinnerungskultur diffamiert und zerstört wird“, schreibt Godehard Lehwark, geschäftsführender Vorsitzender der Gesellschaft.
Die Stadt Weiterstadt sei deshalb gut beraten, wenn sie die gestohlenen Stolpersteine ersetzen lasse. Das ist geplant. „Wir werden Steine legen, immer wieder“, sagte der Weiterstädter Bürgermeister Peter Rohrbach vergangene Woche bei einer Veranstaltung zum 9. November. Lehwark fordert die Polizei auf, bei der Ermittlung der Täter nicht nachzulassen: „Nur ein offensives Vorgehen hilft hier weiter, ein Vertuschen darf es nicht geben.“
Die Ermittlungen liefen weiter, sagte Andrea Löb, Sprecherin des Polizeipräsidiums Südhessen, dem ECHO. Man habe aber noch keine Anhaltspunkte dafür, wer die Täter seien. Die Polizei nimmt Hinweise unter 06151 9690 entgegen.
Inzwischen hat sich im Landkreis Darmstadt-Dieburg ein Bündnis gegen Rechts gegründet. „LaDaDi: Bunt ohne Braun“ will bürgerschaftliches Engagement stärken, etwa durch Veranstaltungen, Vorträge, Ausstellungen oder Demonstrationen.
Den Anstoß dazu hatte der Kreistag schon im September 2012 gegeben. Die jüngsten Vorfälle mit den Stolpersteinen habe die Einsicht wachsen lassen, „dass man diesen Angriffen auf unsere Demokratie nur mit einem geschlossenen bürgerschaftlichen Engagement begegnen kann“, heißt es in einer Erklärung. Es sei deutlich geworden, dass „rechtsextreme, antisemitische und fremdenfeindliche Kräfte auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg ihr Unwesen treiben. Die Steinwürfe galten uns allen, den Wohnzimmern jedes Bürgers und jeder Bürgerin, nicht nur einer Gemeinde“.